Ästhetische Wahrnehmung des Tempelhofer Feldes
Jennifer Bell

Am Fallbeispiel des Tempelhofer Feldes in Berlin, einem stillgelegten Flughafengelände, wird die Wechselbeziehung von Freiraumwahrnehmung und Freiraumverhalten des Menschen untersucht. Dabei wird ermittelt, welche Besonderheiten man auf dem nutzungsleeren Flugfeld wahrnimmt, welche spezifischen Verhaltensarten dadurch jeweils ausgelöst werden und welche neuen besonderen Wahrnehmungen die ausgeführten Verhaltensarten wechselseitig verursachen. Im Rahmen dieser Untersuchung wird auch herausgearbeitet, welchen konkreten Einfluss die charakteristischen Atmosphären auf die jeweiligen Handlungsbereitschaften ausüben und welche Bedeutungszuschreibungen im Hinblick auf die besonderen Freiraumwahrnehmungen möglich sind. Das Ziel der Untersuchung ist, die Wechselbeziehung von Freiraumwahrnehmung und Freiraumverhalten des Menschen nachzuweisen. Außerdem werden von den Ergebnissen Schlussfolgerungen in Bezug auf die landschaftsarchitektonische Entwurfspraxis hinsichtlich des Tempelhofer Feldes abgeleitet. Für die Untersuchung wird die empirische Methodik der Feldforschung genutzt. Zu diesem Zweck werden wissenschaftliche Feldforschungsmethoden mit einem künstlerischen Ansatz zu einer eigenständigen Methodik verknüpft. Die Grundlagen für die persönliche Methodenentwicklung vermitteln verschiedene relevante Wahrnehmungs- und Raumtheorien. Das Flugfeld ist nach der Stilllegung (30. Oktober 2008) in eine nicht öffentliche Phase der Nutzungsleere überführt worden. Daher bietet sich für die Forschungsdauer ein stabiler Zwischenzustand des gegenständlichen Raumes als ortsfeste Basis für die Versuchsanordnung an. Unter diesen Bedingungen gleicht das Feld einem Freiraumlaboratorium. Es dient deshalb als ideales Beobachtungsfeld für die Untersuchung von Wahrnehmung und Verhalten in einer künstlichen Umgebung, die mit der alltäglichen Lebenswelt ganz und gar nichts gemeinsam hat. Das Tempelhofer Feld ist durch die Weite des Areals (ca. 390 Hektar) im Zentrum der dicht bebauten Stadt geprägt, ist aber gleichzeitig vielfältig räumlich strukturiert. Daher können für die Versuchsanordnung „Besondere Orte“ ausgewählt und als Beobachtungseinheiten festgelegt werden. Die Feldforschung wird mit Probanden, die keine Vorkenntnisse hinsichtlich des Feldes besitzen, über den Zeitraum von März 2009 bis Februar 2010 durchgeführt. Der Nachweis der Wechselbeziehung von Freiraumwahrnehmung und Freiraumverhalten des Menschen konnte anhand von sechs Fallbeispielen erbracht werden. Hierzu zählen drei Beispiele, bei denen sich in dem Wechselprozess zur neuen besonderen Freiraumwahrnehmung der Wahrnehmungsgegenstand jeweils veränderte. Bei den anderen drei Beispielen blieb der Wahrnehmungsgegenstand in diesem Wechselprozess zwar derselbe, erhielt aber eine neue Bedeutung (Neuinterpretation). Der Nachweis zeigt auf, dass bestimmte Raumeigenschaften charakteristische Atmosphären vermitteln und dadurch jeweils spezifische Verhaltensarten ausgelöst werden. Damit liefert die vorliegende Arbeit wichtige Erkenntnisse zur Gestaltung von Aufenthaltsqualitäten, die die landschaftsarchitektonische Entwurfspraxis im Allgemeinen bereichern. Von den Ergebnissen konnten Schlussfolgerungen in Bezug auf die landschaftsarchitektonische Entwurfspraxis hinsichtlich des Tempelhofer Feldes abgeleitet werden.